2. Juni 1525

TRAUM-A- LAND E.V.
- Verein zur Entwicklung Alternativer Lebensformen
 in der Provinz Franken –

 

BAUERNKRIEGS-LANDSCHAFT TAUBER-FRANKEN

SPURENSICHERUNGSPROJEKTE UND VERÖFFENTLICHUNGEN

 

Die Bauernkriegsschlacht
auf
dem Turmberg von
Königshofen

2. Juni 1525

 

Die Quellen sprechen eine andere Sprache

- Der 2. Juni 1525 in Quellenzeugnissen

Die 475jährige Wiederkehr der Bauernkriegsschlacht auf dem Turmberg von Königshofen ist gegebener Anlaß zu versuchen, die damaligen Ereignisse anhand der vorhandenen Quellen zu rekonstruieren. Das bisherige Geschichtsbild über den 2. Juni 1525 wird zu sehr von den völlig fehlgeschlagenen und in die Irre führenden Interpretationen der Historiker dominiert, die das Verhalten des Bauernhaufens völlig verständnislos analysierten und dem tatsächlichem Vorgang in keinster Weise gerecht werden. Wichtige Quellentexte wurden und werden bis heute ignoriert!

Dagegen wurden die unstimmigen Berichte von Lorenz Fries und Peter Harer über den Verlauf des Schlachtenganges in einer kaum begreiflichen Weise kritiklos übernommen und dann wild spekulativ erweitert. Völlig falsche Bilder von diesem Tage haben sich deshalb in den Büchern und Köpfen festgesetzt und bestimmen leider auch die Erinnerung an diesen Tag in der regionalen Wahrnehmung. Für die Bauernkriegsschlacht von Königshofen ist eine Wende zu leisten, wie sie jüngst Carlheinz Gräter in der Neuauflage seines Buches "Der Bauernkrieg in Franken" vollzogen hat.

Der 2. Juni 1525 ist ein exemplarisches Lehrbeispiel, wie das Gedächtnis an ein geschichtliches Ereignis in entstellender Weise verhunzt werden kann und in eine totale Sackgasse führt. Es gilt, völlig neu anzusetzen, um den damaligen Ereignissen gerecht werden zu können. Die Quellen - d.h. die Augenzeugenberichte - müssen deshalb in ihrer Vielzahl zur Sprache gebracht und interpretiert werden. Diese Quelleninterpretation soll anhand von einigen Schwerpunktsetzungen stärker als bisher akzentuiert werden.

Anzahl und Zusammensetzung der Bauern in Königshofen

Wieviele Bauern in Königshofen versammelt waren, darüber schwanken die Angaben in den Quellen beträchtlich. Die niedrigste Zahl von 4000 Bauern nennen der Truchseß, Pfalzgraf Otto Heinrich sowie als Chronist der Mönch Eisenhart. Der Truchseß geht bei seiner Zahlenangabe allerdings nur vom Neckartal-Odenwälder Haufen aus, denn das bis nach Öhringen nachgezogene fränkische Ersatzheer ignoriert er völlig.

Auch weitere Zahlenangaben wie die des Eberhard von Radenhausen mit 5000 aus dem Stift Würzburg stammen sollenden Bauern verkennen die in Königshofen stattgefundene Vereinigung der Bauern. Diese ist z.B. dem Schreiber der Kurpfalz Peter Harer bekannt, denn die Bauern in Königshofen "hetten sich in Tag und Nacht gesterckt das ir wol 7000 oder mehr weren".

Wer hat nun den Odenwälder Haufen in Königshofen verstärkt? Lorenz Fries hat die Aufmahnungsbescheide der fränkischen Hauptleute aufgeführt. Zu dem in Königshofen eingetroffenen Odenwälder Haufen "kamen etliche, so dem beschehen ausschreyben nach gein Grunsfeld beschaiden, sonderlich die am Taubertal und Schipfergrunde". Aber auch der wohl bis Öhringen nachgeeilte fränkische Ersatzhaufen vereinigte sich in Königshofen mit den Odenwäldern.

Dies bestätigen am deutlichsten Ambrosius Geyer - der Vetter von Florian Geyer -, in würzburgischen Diensten stehend und Ritter Rudolf von Ehingen. Für Ehingen "sind baid hufen geachtet uf 11000 der ain Ottenwälldisch und Neckertalisch, der ander Frännckisch huf genannt". D.h., Ehingen schätzt beide Haufen, die Odenwälder und den Ersatzhaufen, mit einer Stärke von 11000 Mann ein. Geyer gibt an, "wie bey 5000 baurn zu Königshofen an der Tauber legen, zu denselben sich die vorgemeldten 3000 baurn, so zu Krautta gelegen, auch gemengt hetten, also daß ir bey 8000 zusammen kommen waren, die sich den schwartzen haufen genennt haben und die Weinsperger that gethan..." Geyer nimmt damit eine niedrigere Gesamtzahl der in Königshofen versammelten Bauern als von Ehingen an.

Von Hans Lutz, dem Herold des Truchsesses, sind zwei Zahlenangaben, nämlich 9000 und 10000 Bauern bekannt. Auch der Schreiber des Truchsesses nennt die Zahl 10000. Michael Ott von Echterdingen (Achterdingen) schätzt die Zahl der Toten an diesem Tage auf 12000, allerdings auf beiden Seiten.

Die Schätzung der Zahl der Bauern differiert also beträchtlich von 4000 bis zu 12000 Mann. Dies scheint stark davon abzuhängen, ob die Berichterstattenden die Vereinigung der Bauernhaufen in Königshofen wahrnehmen oder nicht. Tatsächlich eingetroffen in Königshofen waren auf der bäuerlich-bürgerlichen Seite die Reste des Neckartal-Odenwälder Haufens, der fränkische Ersatzhaufen sowie die aufgemahnten Bauern und Bürger aus der tauberfränkischen Umgebung. Auf den Weg hatten sich zudem zahlreiche Fähnlein, z.B. aus Amorbach, gemacht, die aber nicht mehr rechtzeitig eintrafen.

Ebensowenig in Königshofen eingetroffen waren die Bauern der Rothenburger Landwehr, die an diesem Tage nur bis Biberehren kamen. Dieser Haufen ist auf ca. 4000 Mann einzuschätzen. Im Anmarsch waren zudem noch die Aischgründer sowie mainfränkische Bauern. Dieser Haufen, an die 6000 Mann stark, wurde zwischen Ingolstadt und Sulzdorf von den Bündischen zwei Tage später auf dem Gau überrascht und geschlagen. Zudem war in Würzburg ein Resthaufen von 3000 Mann verblieben. Eine vollständige Vereinigung der fränkischen Bauern hätte eine Streitmacht von wohl an die 20000 Mann erbracht.

Daß weder die Rothenburger Landwehrbauern noch die Verstärkung aus Würzburg, die zusammen auf die 10000 Mann berechnet werden können, am 2. Juni Königshofen erreicht hatten, ist einer der zwei gordischen Knoten, die die Historiker in Bezug auf den 2.6.1525 bisher nicht lösen konnten. Doch für das Verständnis der Strategie und dem Verhalten der Bauern an diesem Tage ist aber dieses Wissen, daß die Bauern in Königshofen mit dem jederzeitigen Eintreffen von weiteren ca. 10000 Mann rechneten, vonnöten. Ein vereintes Bauernheer von ca. 20000 Mann hätte ganz andere Voraussetzung für eine Auseinandersetzung mit den Bündischen bedeutet.

Die in den Quellenzeugnissen genannten Orte und Topographie

Die auf den Tauberwiesen lagernden Bauern entdeckten die Vorhut der Bündischen, als diese laut Fries in Höhe Sachsenflurs war. Otto Heinrich, Ambrosius Geyer und der Anonymus geben entsprechende Entfernungsangaben. Es ist sich allerdings vor die Augen zu führen, daß das ankommende Bundesheer ein kilometerlanger Zug war. Voran der Vortrab der Reiterei, der Großteil der Reiterei, Schützenabteilungen und die leichte Artillerie, dann der Verlorene Haufen - also die Eliteabteilung der Fußknechte -, dann das Groß des Fußvolkes, die schwere Artillerie, die Wagenburg und der Troß. Die Nachhut bildete wieder eine Reiterabteilung. Die Bündischen trafen also nicht gleichzeitig in Sachsenflur ein, sondern die Reitervorhut war dem Hauptteil des Heeres weit voraus.

Der 2. Juni 1525 war ein heißer Tag. Staubwolken werden die heranbreschende Reiterei den Bauern angekündigt haben. Die Bauern "... lägerten sich neben Konigshoven an der Tauber gegen Lauden..." (Fries). Von diesem Lagerplatz im Taubergrund kündet noch heute der Gewannnamen "Reißwag", denn dieser verweist auf die Reißwagen, also die Kampfwagen der mitgeführten Wagenburg der Bauern. Die Reitervorhut "... zoch den feynden zu und nach, die ergriffen die fordristen raysigen vom püntischen haufen bey Küngshofen jhenhalb des wassers ...". Der Vortrab der Reiterei stieß nach dem Anonymus also bei der Tauber auf die Bauern.

Von Sachsenflur nach Königshofen sind es ca. 3 km: Eigentlich eine in kurzer Zeit zu überwindende Strecke für Pferde im vollem Lauf, auch wenn zu berücksichtigen ist, daß die Bündischen einige Zeit gebraucht haben, um ihr Vorgehen zu besprechen. Dennoch ist beachtenswert, daß es den Bauern nach dem Bemerken der herannahenden Bündischen gelingt, mit ihrer aus 300 Wagen bestehenden Wagenburg, mit ihrer bis zu 50 Stück starken Artillerie und mit einigen tausend Mann unbehelligt von der bündischen Reiterei auf den Turmberg zu ziehen und sich auch dort entsprechend zu positionieren. Etwas muß demnach die Reiter aufgehalten haben und dies mindestens zwei Stunden lang.

Der organisierte Ortswechsel vom Taubergrund auf den Turmberg hoch ist eine beachtliche Leistung der Bauern gewesen. Wie haben sie dies bewerkstelligen können? Warum sind sie nicht im Taubergrund geblieben? Warum haben sie ihre Wagenburg auf dem Turmberg formiert?

Nach dem Bericht des Anonymus "... traweten sye ine selbs nicht, in dem grund oder nydriger gegner sich vor schaden zu enthalten, und ruckten mit allem irem geschütz und der gantzen wagenburg auf der gelinken seyten gegen Bischofshaym zu auf den hohen berg ob Kunigshofen, darauf der thurn zu der wart stat, und schlussen daselbs ir wagenburg...". Vom Anonymus wissen wir somit, daß die Bauern über die Galgensteige auf den Turmberg hochgezogen sind. Neben ihm erwähnt auch Hans Lutz, der Schreiber des Truchsesses sowie Fries die Warte.

Der Turmberg wird von den Quellen vielfach als hoher Berg benannt, allerdings niemals als Weinberg beschrieben. Vermutlich blieb deshalb den Historikern diese Nutzung und Struktur des Turmberges unbekannt. Vorortprüfungen wurden wohl nicht geleistet! Erst Carlheinz Gräter nahm in seinem Buch "Der Bauernkrieg in Franken" den Turmberg 1975 in seiner weinbaulichen Topographie wahr. Der Turmberg konnte, nachdem die Bauern die Wagenburg auf der Hochebene beim Wartturm errichtet hatten und den einzigen direkten Zuweg, die Hohle der Galgensteige, mit Kanonen verhinderten, nur noch über die östliche Rückseite erlangt werden. Die weinbaulich genutzten Steillagen liessen ebenfalls keine Zugangsmöglichkeit für die Reiterei offen. Gegenüber der berittenen Vorhut der Bündischen war die Kombination aus topograpischer Position und Wagenburg auf dem Turmberg fast optimal als Schutz gewählt.

Die Wagenburg der Bauern wird "auf einem ebnen, hohen, runden, glatten flecken on all beum und stauden" errichtet, d.h. die Hochfläche des Turmberges wurde damals als halbtrockener Magerrasen vom Jungvieh beweidet. Im Gegensatz zu heute war der Turmberg also nicht bewaldet. Nur auf der Höhenrückenverbindung zwischen Turmberg, Kaltenberg und Kirchberg gab es einen "runden, dicken wald auf ein halben schlangenschuß weyt" entfernt. Es muß eine Waldinsel in wohl 500 bis 1000 Metern Entfernung gegeben haben. Nach Harer war dieses Gehölz "allernechst darbey gelegen". In diesen Wald wollten sich die Bauern zurückziehen, als sie erkennen mußten, daß das bündische Fußvolk im Anmarsch war. Dagegen ist das Schlachtholz - auch Seiltheimer Hölzlein genannt - wesentlich weiter entfernt. In diesem Waldstück leisten die Bauern erbitterten Widerstand bis in die Nacht hinein.

Nach dem Ende des Widerstandes werden ca. 300 Bauern "herabgefurt gein Konigshoven in die pfarkirchen, da gefenklich" gehalten, die Pfarrkirche St. Mauritus wurde also zum Gefängnis der Bauern. Nach dem Sieg zog das bündische "Heer hinab in Flecken Kongshoffen. Darin lagen die Fursten und Raysigen zum Teyl, die uberigen auswendig des Fleckens in eynem schönen Wiesengrund an der Tauber. So legert sich das Fueßvolk heraus in der Bauern gehapten Leger, da sie noch vil gemachter Hudtlin funden, so das sie zum Vorteyl hetten."

Wo sind die Bündischen über die Tauber und auf den Turmberg gelangt und wo haben sie Position bezogen? Zwei Abteilungen der Reiterei versuchten den Tauberübergang sowohl "unwendig" (unterhalb) als auch oberhalb Königshofens. Das entspricht den Tauberfurten an der Ziegelhütte, in Verlängerung des Heerweges sowie an der Stelle der heutigen Tauberbrücke an der Bundesstraße Richtung Sachsenflur.

Vom Anonymus haben wir die detailreichsten Angaben über den Tauberübergang der bündischen Reiterei und wie sie ihren Weg auf den Turmberg nahm, denn sie "... ruckten also mit allen iren haufen und geschwadern, eines nach dem andern, uber das wasser auf der rechten seyten und zugen also auf derselben seyten umb disen berg und hinauf den pauren under die augen ..." Die Reiter setzten also an der Tauberfurt in Höhe der heutigen Bundesstraße über, ritten am Fuß des Turmberges - der Waldschlohe - hinauf auf die Rückseite und nahmen dort Stellung. Gleichzeitig wurde der Turmberg auf allen Seiten von der Reiterei umstellt. Dies kann auf den weinbaulich genutzten Hängen nur auf den Mittelwegen, die parallel zu den Höhenschichtlinien verlaufen, geschehen sein. Andere Abteilungen mußten allerdings wegen des Beschußes der Furten bei Königshofen über die weiter entfernte Furt am Oberen Teich übersetzen.

Die zeitliche Dimension des Kampfgeschehens

Rechenmeister Leonhard Strauss gibt uns die früheste Zeitangabe der Ankunft der Bündischen in Könighofen, denn er berichtet, "... daz wir anheut nachmittag ungeverlich umb zway ur hie zu Kungßhofen an die Tauber kommen...". Thomas Zweifel beschreibt: "Ist gemelts freytag nach mittag umb vier ur geschehen..." Zwischen 14 und 16 Uhr beträgt demnach die Zeitspanne der Ankunft der Bündischen. Vom Anonymus wissen wir, daß es fast zwei Stunden lang gedauert hat, bis die bündische Reiterei den Übergang über die Tauber gewinnen konnte. Solange standen die Tauberfurten im Geschützfeuer der Bauern und in dieser Zeit verlagerten sich die Bauern vom Taubergrund hinauf auf den Turmberg. Auf dem Turmberg haben die Bauern "... daselbst ir wagenburg für sich beschloßen und bey dreyen stunden sich hinder derselben aufgehalten." (Geyer) Danach marschieren die Bauern in Richtung des Gehölzes und leisten dort Widerstand "... bis die nacht herzuging. " (Fries) Ciliax von Linsingen und Sigmund von Boineburg beziffern die Dauer des Schlachtgeschehens auf sechs Stunden: "Also haben wir bei den sechs stunden mit inen gemangelt..." Zwischen der Ankunft der Bündischen und dem Ende des Widerstands im Wald können wir also eine Zeitspanne von 14 bis ca. 23 Uhr ansetzen.

Die Intentionen, Strategie und Aktionen des Bauernhaufens

Das Verhalten des Bauernhaufens an diesem Tag wurde von den Historikern bisher in keinster Weise verstanden und konnte wohl deshalb von ihnen in fast nur denunziatorischem Stil beschrieben werden. Dazu trägt bei, daß die Aktionen der Bauern nur aus Sicht der bündischen Augenzeugen und Chronisten dargestellt werden.

Königshofen war Sammlungsort der aufgemahnten Taubertaler. Dort vereinigte sich zudem der fränkische Entsatzhaufen mit dem Odenwälder Haufen. Auch die Rothenburger Landwehrbauern und die Aischgründer zogen in Richtung Königshofen.

War Königshofen deshalb der Ort, um sich den Bündischen entgegen zu stellen? Dies kann nicht sicher angenommen werden. Ob es bei den bäuerlich-bürgerlichen Hauptleuten einen strategischen Vorsatz und Plan gab, wo und wie sie eine günstige Position für einen Schlachtengang mit den Bündischen wähnten, kann aus ihrem Vorgehen nicht erschlossen werden.

Sicherlich hätte man auch - wie viele der anderen Bauernhaufen, z. B. bei Leipheim oder Weingarten - eine topographisch günstige Stellung gesucht, wie z.B. auf einer Anhöhe, in Waldnähe, mit schwierigen Bodenverhältnissen usw. Diese Bedingungen erfüllt aber der Taubergrund nicht. Auch wenn einige der Furten durch Kanonenbeschuß unpassierbar für die Bündischen gemacht worden wäre, gäbe es noch einige weitere Furten, an denen die bündische Reiterei nach einiger Zeitverzögerung hätte übersetzen können. Dann hätte die Reiterei in den Rücken der Bauern gelangen können und jegliche Rückzugsmöglichkeit verhindert.

Eine Positionierungsabsicht der Bauern im Taubergrund, um sich zur Schlacht zu stellen, kann deshalb nicht angenommen werden. Königshofen war Sammlungsort, aber nicht der Ort sich den Bündischen zu stellen. Königshofen wurde angesichts des überraschenden Anmarsches der Bündischen zum Schlachtenort und die bäuerlichen Hauptleute waren so gezwungen, sich hier zu stellen und entsprechend zu positionieren. Und sie formierten die Wagenburg auf dem Turmberg in den Erwartungen, es nur mit der bündischen Reitervorhut aufnehmen zu müssen und daß die Verstärkung eintreffen würde.

Mit dem Heranzug des Fußvolkes und der Artillerie erwies sich die Wagenburg und die gewählte Position als Falle. Nur dies bewog die bäuerlichen Hauptleute aus der Wagenburg in Richtung Wäldchen zu marschieren. Der Zusammenhang von Ankunft des Fußvolkes bzw. Artillerie und Abmarsch der Bauern Richtung Wald läßt sich anhand der Quellen eindeutigst nachvollziehen. Die Bauern blieben solange in der Wagenburg, "bis unsere reisigen haufen zum theil ankommen. Do nu die veinde der reisigen anzeihen vornommen, haben mit einer ordnunge sie sich in einen abzuk begeben..." (Ciliax von Linsingen und Sigmund von Boineburg) Auch Ambrosius Geyer bezeugt die Wirkung des ankommenden bündischen Hauptheeres. "Und als sie nun ersahen, daß biß 2000 pferd allernechst bey inen hielten, und noch stettigs mer rayßig hernach kämen, darauf der verlorn und gantz gewaltig hauf knecht sampt allem geschütz gefolgt." Und dies ist der zweite gordische Knoten, den die Historiker bisher nicht lösen konnten.

Der Anonymus verdeutlicht die Absicht der Bündischen, denn es "was der anschlage, sye also bey einander zu behalten, biß der fußzeug verhanden wer, so wolt man sie in der wagenburg gestürmbt haben etc." Die Ankunft des Fußvolkes, mit der klar war, daß mit dem Sturm der Wagenburg gerechnet werden mußte, bedingte den Abzug der Bauern. Das Eintreffen des Fußvolkes veränderte völlig die strategische Lage zuungunsten der Bauern. Die Reiter konnten sie sich vom Leibe halten mit der Wagenburg und dem Geschütz, aber nicht mehr die Hauptmasse der Landsknechte. "Auf sollichs merckten die pauren sollich warten und fürnemen der herschaften, und als sye in diser höhe sahen das püntisch fußvolck also in zway grossen haufen daher und auch durch das wasser dem berg und raysigen zeug nachziehen..." Erst dieser durch den Zwang der Ereignisse bedingte Abzug der Bauern aus der Wagenburg eröffnete der bündischen Reiterei die Möglichkeit, in die Reihen der Bauern einzudringen und eine wilde Flucht auszulösen.

Falls die Bauern den Wald in ihrer Gesamtheit erreicht hätten, wären die Voraussetzungen wieder andere gewesen. Im Wald selbst konnte es nur noch einen Kampf von Mann zu Mann mit dem Kurzschwert geben - darin waren die Bauern den Bündischen ebenbürtig. Die Reiterei, die langen Spieße der Landsknechte, die Artillerie hätten im Wald völlig ihre Wirkung verloren. Und die Bauern, die den Wald erreichten, wehrten sich erbittert, dagegen waren die über die Felder fliehenden Bauern ein leichtes Opfer für die berittenen Reißigen.

Wenden wir uns der Frage zu, deren bisherige Beantwortung Georg Metzler als feige Flüchtenden erscheinen läßt, der mit seiner angeblichen Flucht die heillose Flucht der Bauern veranlaßt habe: Warum sind vom Turmberg bäuerliche Hauptleute abgeritten? Weil sie flüchten wollten, wie es uns die Historiker glauben machen wollen? Die Spekulationen der Historiker nähern sich in dieser Frage dem totalen Schwachsinn an!

Pfalzgraf Otto Heinrich gibt den deutlichsten Hinweis, denn nach ihm "flohen zeitlich Ir haubtleut hin weg". Nach dem Bericht des Pfalzgrafen Otto Heinrich, Herzog zu Neuburg, verlassen Hauptleute der Bauern die Wagenburg, noch bevor bündische Reiter auf der Turmbergrückseite in Stellung gehen. Es ist ja kaum glaubhaft, daß der bündischen Reiterei nach dem Schließen eines Kordons um die bäuerliche Wagenburg noch abreitende bäuerliche Hauptleute entgangen wären. Es war keine Flucht, es war ein Aussenden von Botschaftern, deren Aufgabe es war, die heranziehenden Bauernhaufen um schnellsten Zugang nach Königshofen zu veranlassen, um dem bedrängten Haufen in der Wagenburg auf dem Turmberg zu Hilfe zu kommen.

Daß die Boten ausgesandt wurden, als von den Bauern beschlossen worden war, die Wagenburg zu errichten, bestätigen Aussagen von Ambrosius Geyer und Lorenz Fries, denn der bäuerliche Entsatzhaufen, von Würzburg aus nach Königshofen entsandt, wollte "rettung und hülf ... thun, nach dem inen zuvor kundschaft worden, wie ir brüder bey Königshofen auf einem berge (wie dann die warheit) in ir wagenburg stunden und von dem bund belegert waren, on hülf und rettung von dannen nit kommen mochten."

Es sind aber auch gar nicht alle bäuerliche Hauptleute vom Turmberg abgeritten. Dazu waren die Aktionen der Bauern auf dem Turmberg viel zu planvoll. Auch der Abzug von der Wagenburg aus in Richtung Wäldchen wird von den Augenzeugen als in aller Ordnung vollzogen dargestellt. Eine führerlose, amorphe Masse hätte dies nie so angehen können. Gregor Spies, Sekretär im Deutschherrischen Dienste, benennt nur ein Abreiten von Anführern der Bauern, aber kein Flüchten und ebensowenig ein Flüchten aller bäuerlicher Hauptleute: "Georg Metzler von Ballenberg und andere Capitani der Bauerschaft sind der Mehrerteil entritten." Erst verstanden als Botschafteraussendung, kann das Abreiten bäuerlicher Hauptleute vom Turmberg aus in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden.

Das Strafgericht des Truchsesses am Samstag betraf die auf dem Turmberg verbliebenen bäuerlichen Führungspersönlichkeiten: "Darnach am samstag zu nacht zu kingshofen abgeschlagen ir 4 das haupt. Darunter ist gewessen der pawren hauptmann, ain langer starcker man..." Georg Metzler hat aktenkundlich in den Jahren nach 1525 versucht, aus dem Untergrund heraus den Widerstand wieder aufflammen zu lassen. Hätte dies ein feige vom Turmberg aus Flüchtender tatsächlich noch wagen können?

Der Einsatz der bäuerlichen Geschütze

Große Mythen, forciert durch die Ausschweifungen der Historiker, betreffen den Einsatz der bäuerlichen Geschütze. Was die Historiker aus einem Hinweis von Ferdinand Friedrich Oechsle, der auf die Büchsenmeister im bäuerlichen Dienste bezogen ist, gemacht haben, ist wiederum wildeste Spekulation, hat aber katastrophalste Auswirkungen auf die nachfolgenden Schreiber verursacht.

Oechsle zitiert aus einem Brief von Georg Metzler vom 31. Mai an die Mergentheimer, diese "möchten ... dafür sorgen, daß den Büchsenmeistern ihr ausstehender Sold ohne Verzug zugestellt werden; denn wo nicht, so würden sie von den Büchsen abziehen und sie stehen lassen..." Die Büchsenmacher, also die Bediener der Geschütze, waren damals die Spezialisten ihrer Zeit. Ungeprüft behaupten die Historiker, die bäuerlichen Geschütze, obwohl zahlreich, hätten keine Wirkung gezeigt, weil die Büchsenmeister die Bauern verlassen hätten, bestochen waren und die Bauern selbst hätten die Geschütze bedienen müssen. Die Quellen sprechen auch hier eine völlig andere Sprache.

Die bäuerlichen Geschütze wurden sowohl an den Tauberfurten als auch auf dem Turmberg eingesetzt: erfolgreich! Die Tauberüberquerung der Reitervorhut konnte solange verhindert werden durch den Einsatz der Geschütze, so daß die Bauern mit ihrer Wagenburg und dem Großteil der Geschütze auf den Turmberg hochziehen und sich dort formieren konnten: "Als nun beede renn- und schützenfanen, deßgleichen zween haufen reuter, so auf die fane verdruckt, hinfür kommen und Königshofen ansichtig, wurden die baurn anheben zu schiessen. In demselben zogen sie, die bawrn, eylends mit gantzer schlachtordnung sampt irem geschütz auß dem flecken auf einen berg..." (Geyer) Der Anonymus zeitigt die Beschießung der Tauberfurten "... wol auf zwu stunden lang etc. Als aber die pawren solliches ersahen, wiewol sie sich mit irem geschütz, so sie bey inen hetten, wereten und sich vor denen, so in von den raysigen zu nach wolten kommen, mit herdan schiessen waydlich aufhielten..." Auch Harer verdeutlicht, daß von bäuerlicher Seite aus absolut ernstlich die Furten bestrichen werden konnten. "Indes hetten die Veind ir Geschutz in die Tauber gericht an den Furt, schoßen ernstlich zu den Raysigen, trafen auch etlich Pferd und Leute, deshalb man, die waltige Häufen an einem andern Furt hinuberzufueren, verursacht."

In der Ebene des Taubergrundes konnte also die Wirkung der Geschütze bäuerlicherseits voll entfaltet werden. Es wird sich aber nur um vorgeschobene Batterien gehandelt haben, denn der Großteil der bäuerlichen Geschütze wurde auf den Turmberg gebracht. Aber selbst diese wenigen Geschütze verhinderten einen direkten Ansturm der bündischen Reiterei.

Wie war nun die Wirkung des bäuerlichen Geschützes auf dem Turmberg? Die Reiterei und eine Abteilung von Schützen rücken an die Wagenburg heran, wenn auch im einigermaßen sicheren Abstand. "... sein unsere schutzen und renfeinlin zu inen geruckt, mit denselbigen und in sonderheit der schutzenfain gescharmutzelt, haben aber vor irem der bauwern geschutze, der sie dann bei den vierzig stuck gut gehabt, nichts sonders an inen zu schaffen gewist..." Auf der flachen Hochebene hielt also das Geschützfeuer der Bauern die Reiterei und Schützen ab und dies drei Stunden lang! Von einer Wirkunglosigkeit der Geschütze kann also auch keine Rede gewesen sein, wenn wir ihren Einsatz auf der Hochebene betrachten. Das verdeutlicht auch Hans Lutz: "... Unn die bawrn namen ir geschutz, unn furtens uff ain berg, unn lettens gescheybs an den berg, und schussen under uns, wiesz kert."

Nicht treffen konnten die bäuerlichen Kanonen nur diejenigen Reisigen, die sich auf den Mittelwegen auf den Hängen um den Turmberg herum verteilten. "... also richten die pawren ir geschütz auf die raysigen auß der wagenburg und schussen feindlich gegen in, aber kunten in keinen schaden thun, ursach, die pawren waren so vil höher auf einem ebnen, hohen, runden, glatten flecken on all beum und stauden, und der raysig zeug so vil nider unten und rund umb den berg, das sie es alles uberschussen und nicht nach der maß treffen kunten."

Aber die Reisigen auf den Mittelwegen konnten wiederum nicht hoch auf den Turmberg gelangen. Sie waren allerdings durch ihre Position vor einem Beschuß sicher. Halten wir fest: Wenn die Bauern - genauer die Büchsenmeister - geschossen haben, haben sie zielsicher und wirkungsvoll geschossen (falls es die Topographie zuließ) und konnten sich so die Bündischen vom Leibe halten. Mit dem Abmarsch aus der Wagenburg in Richtung Gehölz wurden die Geschütze aufgegeben und verloren auch ihre Wirkung.

Fazit

Anhand der zahlreichen Quellen kann also sehr gut rekonstruiert werden, was sich am 2. Juni 1525 in Königshofen ereignete. Die Quellen müssen nur wieder zur Sprache gebracht werden! Dann kann auch gegenüber den Bauern und ihrem Verhalten an diesem Tage mehr Gerechtigkeit erlangt werden. Ansonsten geht die historische Profession und auch die regionale bzw. lokale Geschichtsschreibung weiterhin den Geschichts(ver)fälschern auf den Leim! Daß das bisherige Geschichtsbild über den 2. Juni nicht mehr haltbar ist, ist aufgrund der Quellen klar. Um die Rekonstruktion und Interpretation der tatsächlichen Ereignisse dieses Tages darf allerdings noch gerungen werden. Dazu sind die Geschichtsforscher und Geschichtsinteressierten aufgerufen.

Jürgen Wohlfarth

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