Amorbach

 KLEINSTÄDTE
- KleinStädte und ihre Entwicklungen
in der Region Mainfranken, Tauberfranken,
Badisches Frankenland, Württembergisch Franken,
Hällisch-Franken und Franken-Hohenlohe -

AMORBACH

Reinhard Papst (Hrsg.): Theodor W. Adorno: Kindheit in Amorbach. Bilder und Erinnerungen. Insel Taschenbuch 2923. Insel Verlag, Frankfurt-Leipzig 2003 (ISBN 3-548-34623-6).

Während T.W. Adorno in seiner ganzen Sichtweise als ein Vertreter der urbanen Moderne und Aufklärung gilt, zeigt diese biographische Recherche, daß seine kindliche Herzensprägung durchaus im kleinstädtisch-provinziellen Milieu des über alles geliebten Amorbach zu Hause ist. Der Urlaubsort seiner Kindheit und Remigrantenzeit war in seiner Biographie wohl der einzige Ort, der das Etikett "Heimat" verdiente, auch wenn T.W.Adorno diesen Begriff fast nur in persönlichen Briefen verwendet hat und mit dem Attribut seines "Lieblingsstädtchens" als rationaler Aufklärer schon hart an der emotionale Grenze einer Verklärung angelangt ist.

In einer wunderbaren Spurensuche vor Ort werden die Bilder der verlorenen Kindheit, aus Adornos Briefen und autobiographischen Texten des Gesamtwerkes, vor allem mit seinem wohl emotionalsten Essay "Amorbach" (ersterschienen 1966), verglichen und überschnitten. Durch diese Überblendung wird erst deutlich, wie viele Motive der Kindheit doch die späteren Sprachbilder prägten, wie die große Welt in dieser kleinen Welt ihren Ur-Sprung hatte. Ein einzigartiges Dokument bibliographisch-biographischer Literaturrecherche.

 

Theodor W. Adorno: Kindheit in Amorbach. Bilder und Erinnerungen. Mit einer biographischen Recherche herausgegeben von Reinhard Papst. Insel Verlag, Frankfurt 2003 (ISBN 3-458-34623-6).

Amorbach und Adorno: eine versteckt liegende fränkische Kleinstadt und ihre Umgebung treffen sich mit einem der feinsinnigsten philosophischen Denker. Adorno findet und empfindet Amorbach, Amorbach findet sich in Adorno, Amorbach wird zu „Adornobach“. Der 1966 zuerst publizierte essayistische Text, vom städtisch-großbürgerlichen Feuilleton eher belächelt, war immer eine der anregenden Publikationen für sich mit der Provinz beschäftigenden, in der Provinz lebenden, aus der Provinz stammenden Personen. Aus der Provinz, aus einer Kleinstadt zu kommen, war mit und ist seit den 16 autobiographischen Miniaturen Adornos nicht mehr der stechende Makel der verewigten Zweitklassigkeit, kein leicht erkennbarer Grund mehr belächelt zu werden, kein leicht deutbares Symptom für ewigen Nachholbedarf, sondern auch eine Möglichkeit, Wärme, Utopie, Zeit- und Weltgeist in der Provinz erfahren zu haben und mitbringen zu können.

Schon immer haben Adornos Beschreibungen von Kleinstadt und Einwohnern, Orts- und Namensnennungen, die eigene Phantasie angeregt, sich selbst Bilder von ihnen zu machen. Reinhard Papst ist nun eine Spurensuche gelungen, mit unerwarteten Funden und weitreichenden Schlüssen auf Adornos Leben und Arbeiten, denn vielen Textzitaten werden die entsprechenden Bilder beigestellt. So findet man in diesem Bilderlesebuch auch eine Ablichtung der befriedeten Wildsau von Ernsttal mit Adornos berühmten Diktum: „Die gezähmte Wildsau von Ernsttal vergaß ihre Zahmheit, nahm die laut schreiende Dame auf den Rücken und raste davon. Hätte ich ein Leitbild, so wäre es jenes Tier“. So wird der von Adorno als noch aus dem Bauernkrieg stammend empfundene „Herkert“-Bauer Ballweg vor seinem Bauernhof stehend vorgestellt, sieht man das durch bayerisch-badische Grenzpfähle markierte „Niemandsland“ zwischen Ottorfszell und Ernsttal.

 

 

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