Historisch

 KLEINSTÄDTE
- KleinStädte und ihre Entwicklungen
in der Region Mainfranken, Tauberfranken,
Badisches Frankenland, Württembergisch Franken,
Hällisch-Franken und Franken-Hohenlohe -

HISTORISCHE ENTWICKLUNG
 
DER KLEINSTÄDTE

 

Einen wichtigen Beitrag zur historischen Entwicklung und Nichtentwicklung, anhaltenden Persistenz der Ansiedlung von Ämterkonzentrationen, zum Verlust bisheriger Wirtschaftsstrukturen von Kleinstädten in Unterfranken / Mainfranken, insbesondere die Betrachtung der vielen (Zwerg)Kleinstädte von 1800 bis 1970 leistet die Arbeit des aus Igersheim stammenden und ehemaligen Geographie-Lehrers am Bad Mergentheimer Gymnasium
Klaus Bühn: Kleinzentren in Mainfranken. Ein Beitrag zur Ortstypologie im Übergangsbereich zwischen städtischen und nichtstädtischen Siedlungen. Würzburg 1974. Würzburger Geographische Arbeiten, Heft 40.

Bühn holt im mehr landeskundlichen Teil weit aus, nimmt das Ende des alten Reiches (1803 / 1806) als den Zeitraum, der mit seinen Veränderungen der Territorien und ihrer jeweiligen auf den Raum wirksamen Verwaltungsorganisation entscheidend die Struktur, die Bedeutung und die Zentralität einer Kleinstadt veränderte, beeinflusste. Allein schon für diesen mehr landeskundlich betrachtenden Teil, der sich über 150 Jahre streckt, verdient sich Bühn seine Meriten. Selten konnte man die geschichtliche, wirtschaftliche, funktionale, siedlungsgenetische Entwicklung einer Region, des mainfränkischen Raumes so geballt und hoch konzentriert lesen, wie auf diesen ca. 100 Seiten, lassen sich Aufstieg und Niedergang von Wirtschaftsbereichen (Weinbau, Schifffahrt, Eisenbahn, Industrialisierung, Bekleidung, Steinindustrie usw.) und deren Wirkungen auf die sie betreffenden Kleinstädten nachvollziehen.

Bühn befasst sich vornehmlich mit den Kleinzentren, also den kleineren Kleinstädten, den Landstädten, Zwergstädten, wie die Begriffe für die Kleinstädte der unteren Zentralität lauten. Sie verdanken ihren geringen Zentralitätsstatus, also ihre geringere Bedeutung für ihr umliegendes Umland vielfach auch lange nachwirkenden historischen Gründen, also z. B. wenn eine Kleinstadt, die an einem Grenzgebiet eines Territoriums liegend, von den Landesherren deshalb besonders gefördert oder überhaupt deswegen gegründet oder zur Stadt gemacht wurde, aber später in ein anderes Territorium eingegliedert wurden und somit der Grund der bisherigen Förderung wegfiel und keine neuen Funktionen gewonnen werden konnten. Gerade in der zersplitterten Landschaft Frankens war die umfangreiche Städtegründung oft mit der Sicherung der eigenen Machtposition verbunden. In ein anderes Territorium eingebunden, entfiel oft der wichtigste Entwicklungsfaktor. An Wasserwegen wie dem Main gelegen wurden auch Kleinstädte aus wirtschaftlichen Gründen (z. B. Fernhandel) gefördert. Der Wegfall der Zölle, die Entwicklung der Eisenbahn oder der Bau neuer Verkehrswege brachte diese Städte um ihren bisherigen Entwicklungsfaktor, führte zur Stagnation, zur Schrumpfung. Innerhalb kurzer Zeit verloren diese Kleinststädte ihre bisher ausstrahlende Zentralität. Auch der Niedergang traditioneller Wirtschaftsweisen (Weinbau, Handwerk, Landwirtschaft) schwächte die Zentralität von Kleinststädten entscheidend.

Es lässt sich von Prinzip der permanenten Schwächung bei den Kleinststädten sprechen, während dagegen größere Kleinstädte als Mittelzentren das Prinzip der Selbstverstärkung in sich tragen. Wer Funktionen und Zentralität verliert, verliert auch weiterhin, wer Funktionen und Zentralität gewinnt, gewinnt auch weitere. Allerdings können durch Reformen der Verwaltungsfunktionen, die immer mehr einen größeren Maßstab der Erreichbarkeit mit sich führen, auch zu Verlusten bei den langfristig stetigen Zentralitätsgewinnern führen. Man muß sich vor Augen führen, dass inzwischen über 200 Jahre lang geplante und ungeplante Zentralitätsveränderungen auf die Kleinstädte einwirken. Bei den kleinsten Kleinstädten ist der Stadttitel ein Status ohne entsprechende Mittel und ohne Zentralität. Oft lässt nur noch das historische bauliche Gefüge die frühere Stadt erkennen.

Hinweis: Ein wesentlich erweiterte Version wurde aufgenommen in PRO-REGIO-ONLINE ZeitSchrift Nr. 6-2009: http://www.pro-regio-online.de/html/heft_6_-_2009.html

 

Zwar nicht im Mittelpunkt, aber im wieder im Blickpunkt liegen die Zwerg- und Kleinstädte Unterfrankens und Tauberfrankens in den für die geographische Bestimmung von Kleinstädten wichtigen Publikationen von Herbert Popp:
- Herbert Popp, Die Kleinstadt. Ausgewählte Problemstellungen und Arbeitsmaterialien für den Erdkundeunterricht in der Sekundarstufe. In: Der Erdkundeunterricht. Beiträge zu seiner wissenschaftlichen und methodischen Gestaltung. Herausgegeben von Robert Geipel. Heft 25, Stuttgart 1977
- Herbert Popp, Kleinstädte als zentrale Orte im ländlichen Raum. In: Ganser, Karl; Heinritz, Günther; Klingbeil, Detlev; Mittermaier, Klaus; Niedzwetzki, Klaus; Popp, Herbert; Schrettenbrunner, Helmut: Beiträge zur Zentralitätsforschung. In: Münchener Geographische Hefte Nr. 39, Kallmünz/Regensburg 1977
- Herbert Popp, Kleinstädte im ländlichen Raum Frankens. Bedeutungswandel vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. In: Institut für Entwicklungsforschung im ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens e.V.: 16. Heiligenstädter Gespräche. Kleinstädte im ländlichen Raum - Auslaufmodell oder zukunftsträchtiger Siedlungstyp? Bamberg 2003

Warum bleiben eigentlich Kleinstädte Kleinstädte? Gibt es in der Entwicklung bzw. Nichtentwicklung von Kleinstädten eine historisch erläuterbare Persistenz? Gibt es in der Entwicklung bzw. Nichtentwicklung von Kleinstädten eine Konstanz zur Erhöhung von Zentralitätsfunktionen bzw. eine Konstanz des Verlustes von Zentralitätsfunktionen? 1970 waren von 1391 Städten über 75% Kleinstädte unter 20 000 Einwohnern mit der eindeutigen Tendenz, dass die Zahl der kleineren Städte unter 5000 Einwohner abnahm gegenüber der Zahl der Kleinstädte zwischen 5000 und 20 000 Einwohner, die starkes Wachstum zu verzeichnen hatten. Die nach 1970 durchgeführte Kommunalreform hat weiter die Position der Kleinstädte gegenüber den Gemeinden unter 5000 Einwohnern bestärkt. Welche Rolle spielt im Wachstum bzw. Nichtwachstum von Kleinstädten die Vergabe des Stadttitels? Anders gefragt: Wachsen manche Kleinstädte besonders stark und welcher Gruppe sind sie zuzuordnen? Popp zeigt anhand unterschiedlicher Parameter (Stadterhebung vor 1600 bzw. Stadterhebung im 19./20. Jahrhundert) den Zusammenhang zwischen Wachstum der Einwohnerzahlen und der Stadtgrößen wie Zwergstädte, Landstädte, Kleinstädte, Mittelstädte, wobei pauschal gilt: „je früher zu Stadt erhoben, desto größere Einwohnerzahl heute.“ Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einige Kleinstädte sich sehr dynamisch entwickelt haben, insbesonders durch Industrialisierung und die neuen Verkehrswege der Eisenbahn mit entsprechenden Knotenpunkten.

Anhand des Verlustes von Behördenfunktionen lässt sich eine seit der Neuordnung Deutschlands nach 1803/1806 Behördenzentralität in bestimmten Kleinstädten feststellen, während andere Kleinstädte stetig behördliche Zentralität verlieren. Dadurch stehen die Kommunal- und Kreisreformen der 70er Jahredes 20. Jahrhunderts sowie die aktuellen Zentralisierungen und Umorganisationen von Ämtern im Rahmen von Sparmaßnahmen in einer über 200 Jahren alten Tradition des Wandels von Behördenzentralität in Klein- und Mittelstädten. Die Trennung von Justiz (Amtsgericht) und Verwaltung (Bezirksamt) im 19. Jahrhundert, begünstigte die Kleinstädte, denen das Bezirksamt (heute Landratsamt) zugeschlagen wurde, während Kleinstädte ohne Bezirksamtsfunktion vielfach die Funktionen als Standort von Amtsgerichte oder Finanzamt bei jeder weiteren Runde einer Maßstabsvergrößerung der Verwaltung abgeben müssen, die wiederum die Kleinstädte mit Landratsfunktion anziehen. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand von Kartierungen eines Bezirks mit der jeweiligen Ämterfunktion in den Kleinstädten zu bestimmten Zeitepochen darstellen. Zudem besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Ämterverlust und Bevölkerungswachstum. Die Kleinstädte mit Zentralitätszuwachs von Behördenfunktionen, insbesondere mit Bezirksamt, sind heute Kleinstädte mit einer Einwohnerzahl von 5000 bis 20000, während Kleinstädte die ihr Bezirksamt verloren haben, heute zu den Zwerg- bzw. Landstädten unter 5000 Einwohnern gehören.

Sind Kleinstädte in ihrer inneren räumlichen Gliederung einer Regelhaftigkeit unterlegen, die allgemein deutbar ist oder sind Kleinstädte zu klein, haben diese eine zu geringe Ausdehnung, um eine Regelhaftigkeit der inneren Gliederung aufzuweisen? Die Untersuchung der historisch-genetischen Gliederung der Kleinstädte – ohne hier unter Zwergstadt, Landstadt, Kleinstadt i.e.S unterscheiden zu müssen – zeigt auf einfache Weise die Gemeinsamkeiten der Kleinstädte und die Unterschiede zu Mittelstädten und Großstädten auf. Die Kleinstädte, die vor dem 19. Jahrhundert den Stadttitel erhielten, also mittelalterliche Gründungen sind, weisen einen dichten Ortskern auf, mit einer erkennbaren Vorstadterweiterung des Spätmittelalters (außerhalb der Stadtmauer). Mit mit Einbezug ins Eisenbahnnetz im 19. Jahrhundert entsteht weit entfernt von der Stadtmitte ein meistens räumlich getrennter Bahnhof als Kern einer neuen Sekundärsiedlung. Neue Amtsbauten wie Amtsgericht, Finanzamt, Bezirksamt, Gefängnis, Krankenhäuser, Pfarrhäuser siedlen sich wegen höheren Platzbedarfes direkt am Stadtkernrand an, oft in Richtung des Bahnhofes. Das ist auch die Hauptbebauungsrichtung bis zum 1. Weltkrieg. Zwischen den beiden Weltkriegen bezieht sich Bautätigkeit besonders im Bereich zwischen Bahnhof und altem Stadtkern. Nach 1945 setzt die flächenexpansive Erweiterung ein. Als das besonders kleinstädtische an diesen Wachstumsphasen lässt sich bestimmen: 1. Der mittelalterliche Stadtkern ist von bescheidenem Umfang, 2. Die barocken Erweiterungen fehlen (mit Ausnahme von Kleinstädten die als Residenz ausgebaut wurden), 3. Die Gründerzeiterweiterungen sind nur ansatzweise vorhanden, keine wie bei den Großstadterweiterungen der Industrialisierung üblichen flächenhaften Areale, die die Entwicklung zur Mittel- und Großstadt dokumentieren.

Hinweis: Ein wesentlich erweiterte Version wurde aufgenommen in PRO-REGIO-ONLINE ZeitSchrift Nr. 6-2009: http://www.pro-regio-online.de/html/heft_6_-_2009.html

 

Eine der schönsten und wichtigsten geographischen Arbeiten zum historisch-genetischen Wachsen der Zentralitätsfunktionen im Vergleich zweier tauberfränkischer Kleinstädte ist das Werk:
Ulrich Wagner: Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim. Eine Analyse der Raumbeziehungen zweier Städte in der frühen Neuzeit. Heidelberger Geographische Arbeiten. Heft 4. Im Selbstverlag des Geographischen Institutes der Universität Heidelberg, Heidelberg 1985. Siehe unter dem Link TBB

 

 

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