Literatur

TRAUM-A- LAND E.V.
- Verein zur Entwicklung Alternativer Lebensformen
 in der Provinz Franken –

 

BAUERNKRIEGS-LANDSCHAFT TAUBER-FRANKEN

SPURENSICHERUNGSPROJEKTE UND VERÖFFENTLICHUNGEN

 

Der Pfeifer von Niklashausen
1476

 

Literarische, historische, zeitgenössische Zeugnisse über den Pfeifer-Hans, die Wallfahrt und Niklashausen:

- Der Journalist Georg Lommel schreibt anläßlich einer Tauberwanderung über Geschichte und Mythen, Landschaft und Nutzung, Land und Leute von Tauber-Franken, gelegentlich interpretationsfreudig locker aus dem Handgelenk heraus und nicht immer mit exaktester historischer Genauigkeit und Faktizität. Er gibt ein "schwärmerisches" Bild der Bewegungen im Taubertal. Den Pfeifer-Hans ordnete er eindeutig den Hussiten zu, den Namen Beheim nach Böhmen: "Niklashausen liegt am unteren Lauf der Tauber, in jener Gegend, wo der Fluß die breite Ebene um Mergentheim und Lauda verlassen und durch ein romantisches Bergland sich durchwindet. Die hinter hohen Bäumen und dichtem Weidengebüsch hindurchschleichende Tauber, die schmalen steilen, von Schluchten durchfurchten Weinbergterrassen gegen Osten, dann westlich eine Reihe von unten bis oben bewaldeter Kegelberge, von deren einem die gewaltige Ruine der Gamburg mit ihrem alten Wartturm ragt, während nach Norden hin der Talkessel durch Wald und Berg wie zugeschlossen scheint - machten diese Umgegend frühzeitig zu einem Asyl für Lebensmüde, Verfolgte, religiöse und politische Schwärmer. Es ist eine bekannte Sache, daß nebeltälige Flußtäler mit düsteren Seitengängen, finster blickenden Höhen und selbst im Hochsommer nach vielstündigem Schaffen die Menschen zur Schwermut und in weiterer Folge zum Mystizismus oder Wunderglauben stimmen, zumal nach einer sturmbewegten Vergangenheit. Baubrüder des Mithras-Bundes, die nach Zerstörung der römischen Niederlassungen und deren Sonnenkultus in Osterburken und anderen Plätzen des Odenwaldes und Baulandes durch den Frankenbund den Weg nach Italien oder Südfrankreich nicht mehr zu finden wußten, essenische und unitarische Wanderprediger, deren Lehre von der durch verbrecherische Regenten zur Staatskirche erhobenen römischen Priesterschaft für eine todeswürdige Ketzerei erklärt worden war, ebenfalls freichristliche Waldenser und Albigenser, die den rauchenden Holzstößen Savoyens und Piemonts entsprangen, überrheinische Tempelritter, die den vom Papst und vom Franzosenkönig gemeinsam errichteten Scheiterhaufen entkommen waren, Mitglieder des gebannten und aufgelösten Beghardenordens, aus verlorenen Schlachten versprengte Hussiten, suchten und fanden an der unteren Tauber als Einsiedler oder Waldbrüder, als Heilkünstler und Wahrsager, öfters in noch tieferer Lebensstellung, Schutz und Brot. Zu dem letzteren Element zählt auch, wie schon der Name andeutet, Hans Böhm. Sein Vater, ein nach Helmstadt verschlagener Hussite, wurde Viehhirt im benachbarten Niklashausen, während der Sohn durch Pfeifen volksbeliebter Weisen unter Begleitung der kleinen Schellentrommel - er wird daher von Zeitgenossen abwechselnd Pfeifer und Pauker genannt - in den zahlreichen Herbergen längs des Taubertals seinen Lebensunterhalt erwarb..." (Georg Lommel, Tauberbilder, 1872).

Lommel ging wohl von der richtigen Annahme aus, daß das Taubertal um diese Zeit sehr stark hussitisch geprägt war. Aus einigen Städten sind Verbrennungen von ketzerischen Hussiten bekannt. Am 4. Juli 1429 wurde der Pfarrer der Laudaer St. Jakob Kirche, Johannes Ruyger, aus Boxberg stammend, wegen hussitischer Ketzerei, in Anwesenheit des Ketzergerichtes in Lauda öffentlich verbrannt. Weitere hussitische Ketzer aus dem Taubergrund wurden in den Frühjahrsmonaten 1447 in das Würzburger Gefängnis geworfen. Der Abt von Kloster Bronnbach konnte von den hussitischen Gläubigen einen Widerruf ihres Glaubens erreichen. Der Name Beheim ist um diese Zeit sehr stark in der gesamten tauberfränkischen Region vertreten. Die Korrespondenz mit böhmischen, hussitischen Einwanderern ist nicht exakt wissenschaftlich-historisch nachgewiesen, könnte aber im Analog-Schluß angenommen werden, da sich sehr viele "Asylanten" aus Böhmen wegen ihres hussitischen Glaubens hierher geflüchtet hatten. Genauere Forschungen könnten darüber Auskunft geben. Klar ist, daß "für Helmstadt der name Behem im ältesten Zins- und Gültbuch der Propstei Holzkirchen aus dem Jahre 1433 verzeichnet ist. Der erwähnte Fritz Behem ist Vertreter einer Familie, die sicherlich, wie die angeführten Besitzanteile vermuten lassen, nicht zu den reichsten in Helmstadt gehörte. In der Zeit zwischen 1470 und 1480 sind Ebbert Behem, Cuntz und Fritz Behem vermerkt; nach 1477 auch ein Hans Behem. Man kann davon ausgehen, daß der Pfeiferhans aus der Familie stammte. Auch in der Grafschaft Wertheim ist der Name Böhm im übrigen anzutreffen." (Elmar Weiss, Der Pfeifer von Niklashausen, Tauberbischofsheim 1984, S. 37)

 

- Thomas Mann verband mehrere Ereignisse in Tauber-Franken in einem Konglomerat zusammen. Die Wallfahrer nach Walldürn (Blutwallfahrt), die in Uissigheim Station machten, die Wallfahrt nach Niklashausen und den Pfeifer-Hans, die "blutenden Hostien" als Anlaß der Judenverfolgungen unter "König Rintfleisch" und dem Ritter Arnold von Uissigheim, dem "König Armleder" und den Bauernkrieg. Die "blutenden Hostien" spielten als Anlaß für die Judenprogrome im Taubertal eine große Rolle. Heute ist klar, daß die Rot-Verfärbung der Hostien hinter dem Glas der Monstranz durch Licht und chemische Oxidation infolge unterschiedlicher klimatischer Bedingungen verursacht wurde: "Erinnere dich nur, wie munter volksbewegt es war bei euch in Deutschlands Mitten, am Rheine und überall, seelenvoll aufgeräumt und krampfig genug, ahndungsreich und beunruhigt, - Wallfahrtsdrang zum Heiligen Blut nach Niklashausen im Taubertal, Kinderzüge und blutende Hostien, Hungersnot, Bundschuh, Krieg und die Pest zu Köllen, Meteore, Kometen und große Anzeichen, stigmatisierte Nonnen, Kreuze, die auf den Kleidern der Menschen erscheinen, und mit dem wundersam bekreuzten Mädchenhemd als Banner wollen sie gegen die Türken ziehen. Gute Zeit, verteufelte Zeit! Wird dir nicht herzlich wohlig zu Sinn beim Gedenken?" (Thomas Mann, Doktor Faustus, Frankfurt 1986, S. 232)

 

- Die Fahrt nach Niklashausen wird Jahrhunderte lang für den Adel und Klerus zum Synonym für den bäuerlichen Aufstand. Die Massenversammlungen von Bauern, von armen Volksschichten, der Angriff auf ihre Autorität steckte den Herrschaften in den Knochen, sozusagen memoriert im historischen, kollektiven Gedächtnis des Adels und Klerus. Der Fürstbischof von Würzburg brachte die bäuerlichen Massenversammlungen in seinem Brief, mit dem er dem Schwäbischen Bund von den Bauernunruhen 1525 benachrichtigte, sofort mit der Niklashauser Fahrt in Verbindung: "Lieber getreuer. wir haben dein schreyben, anzaigend den glucklichen sig, so vergangen dinstag [April 4] die bundischen wider die ufrurigen bauren aus verleyhung gotlicher gnaden erhalten haben, uns gestern zubracht, vernomen und gern gehoret, konnen dir aber dargegen mit beschwerlichem gemut anzuzaigen nit unterlassen, das die Rotemburgische bauren dise vergangen wochen die Tauber herabgezogen, Weickershaim, Mergethaim mit umbligenden dorfern und clostern eingenommen und sich täglich ie lenger ie mehr hauffen und sterken. zu den sind gefallen unsere stet und ambt: Lauden, Jagsperg, Biburt, Buthert, auch Ochsenfurt, Grunsfelt und etliche dorfere aus unsern ambten Rotingen und Raigelberg. und laufen die bauren nit anders zu, da etwan gein Nicklashausen und darnach gei dem Grunental beschehen. so haben sich die bauren in der Hohelohischen ort und uf dem Ottenwalt bis in die 6000 stark auch entpöret und, wie uns glaublich durch schriften und anders anlangt, mit den bauren an der Tauber verainigt, uber uns und unsern stift zu ziehen, also, das zu besorgen, ain fleck nach dem andern zu den bauren schlagen, auch, wa nit statlich und furderlich dargegen gehandelt, nit allain wir und unser stift darunter zu boden gehn, sonder auch die anstosenden bundsstene, auch alle obrickait dadurch in geverlickait und verderben gesetzt werden. ...datum montag nach Palmarum. [April 10, 1525.]" (Lorenz Fries, Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken 1, S. 58ff.)

 

 

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