SpurenOrte

TRAUM-A- LAND E.V.
- Verein zur Entwicklung Alternativer Lebensformen
 in der Provinz Franken –

 

BAUERNKRIEGS-LANDSCHAFT TAUBER-FRANKEN

SPURENSICHERUNGSPROJEKTE UND VERÖFFENTLICHUNGEN

 

Der Pfeifer von Niklashausen
1476

 

Spuren und SpurenOrte des Pfeifers in Niklashausen

 

- Ortswappen

-  Ortssiegel

- Pfeiferstraße

- Margarethenweg (Tag an dem der Pfeifer mit den Volksmassen nach Würzburg wallfahren wollte; Tag der Entführung des Pfeifers.)

- Von-Stettenberg-Weg (Die Stettenbergs waren das in Gamburg ansässige Rittergeschlecht)

-  Marketenderwiese, Hirtenhäusle (In diesen beiden Gewannnamen haben sich die Ereignisse von 1476 niedergeschlagen).

-  Standortort des ehemaligen, abgerissenen Pfeiferhauses, heute asphaltierter Parkplatz.

-  Pfeiferstube im Rathaus. Nach vielen ehrenamtlichen Vorarbeiten wurde im Sommer 1991 ein Teilbereich, nämlich die Pfeifergedächtnisstube im Rathaus, eröffnet. Folgen sollen eine weitere Stube über das Steinhauerhandwerk und später ein Raum mit einer Dorfchronik.

- Pfeifer-Bildnis über dem Eingang des Rathauses.

-  Pfeiferhalle.

- Bildnis von Harry Elsner aus Bad Mergentheim an der inneren Giebelwand der Pfeiferhalle: „Es zeigt nacheinander den von der Obrigkeit drangsalierten Bauern, den ‚Pfeiferhannes’, der umringt von Bauern und Wallfahrern seine Botschaft vorbringt, Hans Böhm auf dem Scheiterhaufen vor der Kulisse Würzburgs und einen ausschreitenden Bauern, der die Gedanken der Befreiung weiterträgt. Das eine ganze Wand der Halle einnehmende Bild stellt sowohl zeitlich als auch inhaltlich die Entwicklung von links nach rechts übersichtlich gegliedert dar, im Zentrum des Werkes steht jedoch der predigende Hirte. Seine Worte sind es, die aus unterdrückten Bauern einen Träger der Idee der Freiheit werden lassen.“

-  Gasthaus Adler: ehm. Gedenkstube sowie Fensterglasmotive mit dem Pfeiferhans, ebensolche im Gasthaus Hirschen

-  Gedenktafel am Milchhäusle von Orysik.

-  Pfeifer-Relief beim Haus Franz Flegler von 1931.

- Franz Flegler: Pfeifer Buch. Die Wahrheit wird den Pfeifer-Hans verklären. Das Buch von dem Niklashausener Flegler sammelt wichtige kleine lokale Details zur Pfeifergeschichte. Franz Flegler hat über Jahrzehnte hinweg als Chronist die Erinnerung an den Pfeifer aufrechterhalten und die heutige Arbeit des Pfeifer-Vereins ermöglicht.

-  Pfeifer-Schild am Radweg. Einer der wenigen Orte, die auf die historischen Ereignisse mit "rebellischer" Geschichte "öffentlich" hinweisen.

-  Kirche. In und um die Kirche finden sich zahlreiche Spuren und Hinweise auf den Pfeifer:

- In der Kirche existiert ein eichener Fensterladen von 1476, befestigt an einem Stützpfeiler der Empore. Es ist eine eichenbohlige Mittelkreuzsprosse mit rechts oberer, links unterer Schaftnase in Form eines Doppelhakens. Ein Wappenschild trägt die Jahreszahl 1476. Daß der Pfeifer aus dem Fenster gepredigt haben soll, ist bereits auf dem Holzschnitt in Schedels Weltchronik 1490 dargestellt (Vgl. Klaus Arnold, Niklashausen 1476, 1980, S. 138).

- Balken mit Inschrift aus der alten Kirche.

- Einige Torbogen der alten wurden in der neuen Kirche wiederverwendet.

- Die Niklashausener Kirche wurde auch nach ihrer Neuerstellung von den Wallfahrern besucht. Ähnlich wie beim Grabstein des Ritter Arnolds in Uissigheim wurde von den Steinen Plättchen abgekratzt: "Interessanterweise finden sich außen an der Nordwestecke des Turmes, am 'Heiligen Stein', und an weiteren Stellen, vor allem an den Fenstern, sog. Wetzspuren, die darauf hinweisen, daß die neue Kirche wie ihre Vorgängerin als Wallfahrtskirche oder wundertätiger Ort aufgesucht wurde" (Elmar Weiß, Der Pfeifer von Niklashausen, 1984, S. 103/104).

- Als Nachklang des Auftretens des Pfeifers hat Carlheinz Gräter einen Satz von Martin Luther gewertet, der an den Papst nahezu gnadenlose Worte richtet. Auch der Pfeifer hatte mit seinem Satz, daß in Niklashausen die gleiche Gnade wie in Rom erlangbar wäre, am Papsttum die Axt angelegt: "Als spätes Echo der Böhm'schen Predigt hat man 1586 in den Pultdeckel der Niklashäuser Kanzel eine Inschrift eingraviert. ... Es ist die Prophezeiung Martin Luthers an den Papst, lebend sei er ihm Pest gewesen, sterbend werde er ihm Tod sein: AD PAPAM PESTIS ERAM VIVUS MORIENS TUA MORS ERO PAPA. Inmitten dieses Schriftbandes war ein pfeildurchbohrtes Herz eingeritzt, darüber DEO SOLI GLORIA". (Carlheinz Gräter, Die Wirkungsgeschichte des Pfeiferhänsle, 1986, in: Anmutigste Tochter des Mains)

- Selbst das Krieger-Denkmal wurde mit dem Pfeiferbildnis an der Gedenktafel geschmückt.

-  Die Begharden-Höhle war der Wohnort des Einsiedlers "Beckarten", der dem Pfeifer "bei Seite" stand. Daraus wollen manche Historiker und Literaten eine Manipulation des Pfeifers herausdeuten, das "Einblasen" von Einsichten, die dem Pfeifer nicht von selbst gekommen sein könnten. Bei jedem Vorwurf des "nützlichen Idioten" wird allerdings die Hauptsache vergessen: die Botschaft des Pfeifers, der Inhalt seiner Reden. Woher diese fundamentalen Einsichten, die Gleichheitsforderungen kommen, wohin diese gehen, können die Vorwürfe des Eingeblasenseins weder erklären noch hinweg deuten. Heute noch landen die Vorwerfer eines Eingeblasenseins täppisch in der Falle der damaligen Herrschenden. Textlich und bildlich ließen die Herrschaften mit den Darstellungen einer Manipulation (Eingeblasensein) von der Botschafts-Bedeutung ablenken, indem sie diese durch bildhafte Zeichen denunzieren ließen.

Ein klarer semiotischer Fall also, ein Problem des Erkennens und Interpretierens von Zeichen, von Botschaften und Bedeutungsinhalten von Zeichen. Erst fast detektivisch betriebene Semiotik, das Er-Kennen des Zeichen-Charakters von Gegenständen, Dingen, Objekten, von Flächen, der Vegetation, in unserem Fall eine Holzschnittdarstellung, ermöglicht den Zugang zum jeweilig Spezifischen, zum Bedeutungscode. Wir müssen solche Bilder als Zeichen lesen lernen, die zugleich formale Mittel (sprich Bedeutungsträger) und zu interpretierende Codes (sprich Bedeutungsbotschaften) sind. Umberto Eco hätte sicherlich seine Freude daran, die Pfeiferdarstellungen auf ihre Botschaften abzuklopfen und die verführten Fehlinterpreten eines Eingeblasenseins mit linker Hand auf ihr eigenes "auf den Leim gegangen sein" hinzuweisen. Insofern wird den Interpreten eines "Eingeblasenseins" selber eingeblasen und sie betreiben tragischerweise statt Aufklärung - die wohl mancher eigentlich anstrebt - das schmutzige Geschäft der Herren weiter.

Daß allerdings schon damals einige Künstler die denunziatorische Absicht konterkariert haben, weist Elmar Weiß überzeugend nach. Wohl dem, der Zeichen versteht (zu interpretieren): "Ausgerechnet der Titelholzschnitt zur 'nicklas hausser fart ' (gedruckt 1490), jenem gegen den Pfeifer gerichteten Spruchgedicht, läßt den Prediger als Verfechter der guten Sache gelten. Deutlich an Flöte und Trommel zu erkennen, wird Böhm beim Schafehüten dargestellt. In der rechten oberen Bildhälfte ist Maria und das Kind als Vision des Hirten zu sehen. Beider Augen sind auf den Pfeifer gerichtet, der knieend seinen Blick wiederum zu ihnen erhebt. Auf diese Weise wird die besondere Beziehung des Pfeifers zur Mutter Gottes nicht nur herausgestrichen, sondern auch als real anerkannt. Die Tätigkeit des Pfeifers als Schäfer ist übrigens mehr als nur ein Hinweis auf die historische Figur. Übersetzt aus der Bildsprache des christlichen Mittelalters ist dieses Bildelement vielmehr eine Anspielung auf den Ausspruch Jesu: 'Ich bin der gute Hirte'. Bemerkenswert ist auch ein Dornstrauch, der in der oberen Bildmitte zu sehen ist. Hier wird eine Analogie zwischen dem Leidensweg Christi und dem Schicksal des fränkischen Hirten hergestellt. Der Pfeifer von Niklashausen wird somit zur Messiasfigur stilisiert. Angesichts der geringen Lesefähigkeit von fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung dürfte der Holzschnitt mehr als der dazugehörige Text gewirkt haben. Auf diese Weise hatte die positive Aussage des Titelblattes gegenüber dem ablehnenden Tenor des Spruchgedichtes ein Übergewicht. Die vom Pfeifer aufgezeigte 'demokratische Alternative' (Strobach) wurde somit eindringlich in Erinnerung gehalten.

Die beiden berühmten mehr oder weniger zeitgenössischen bildlichen Darstellung in Schedels Weltchronik und in der 'Geschichte der Würzburger Bischöfe' von Lorenz Fries sind den üblichen Klischees verhaftet.  Der Pfeifer wird als Prediger dargestellt, dem Mönche und andere Helfer 'einblasen'. Eine andere Sicht des Niklashausener Geschehens findet erst im 20. Jahrhundert Eingang in das Bild." (Elmar Weiß, Der Pfeifer von Niklashausen, Tauberbischofsheim 1984, S. 109 und 111)

Diese Höhle, im Volksmund auch Fuchsloch genannt, war über die Jahrhunderte hinweg mit den Abfällen aus den Weingärten zugeschüttet worden und verlor deshalb die Erinnerung an den Begharden. Der Ortsforscher Franz Flegler hat noch im rüstigen Alter selbst Hand angelegt und die Höhle gesäubert. "In den Jahrhunderten nach Beckart von Gamburg und dem Pfeifer von Niklashausen stand die Höhle in den Weinbergen am Ortsrand der Gemeinde. Am Höhlenausgang haben sich die Weinbergsbesitzer im Stein verewigt und ihre Initialien eingemeißelt. Auf einem Stein (mit Herz verziert) findet sich die Inschrift: Hans Jacob Pulsen 1700. Ein anderer trägt die Buchstaben HDB A 1704. Vermutlich handelt es sich hier um einen Weinbauern namens Deubel, ein zu dieser Zeit in Niklashausen weitverbreiteter Name.

Eine weitere Inschrift ist nun hinzugekommen: 1983 FF. Franz Flegler, der die Höhle wieder hergerichtet hat, hat sich hier zu den historischen Gestalten gesellt. Außerdem hat der Niklashäuser-Geschichtsforscher am Höhleneingang den Kopf des Beckart von Gamburg in den Fels gehauen (auf historischen Darstellungen wird er hinter dem Jüngling abgebildet, indem er dem Jüngling zuflüstert, was er dem Volk zu sagen hat) sowie die Inschrift: Einsiedler-Beckarten-Höhle 1476." (FN 29.9.1983 tezet)

Beim Hang in Höhe der Mühle, links vom Pfarrhaus, führt der schmale Fußweg nach Höhefeld, vergrast, kleine Felsbrocken umherliegend, hoch. Etwas oberhalb weist ein Schild zur Beghardenhöhle. Auf dem Weg dahin können die Trockenmauern, die Terrassen, bewundert werden. Ein Blick ins Taubertal, auf Niklashausen ist geboten. Der Weg reicht dann als kleiner Ortsumgang an der Höhle vorbei zum Ortsende in der Seitenklinge, vorbei an den mit Streuobstwiesen genutzten Terrassenflächen. Die Höhle ist begehbar, über eine Treppe erreichbar. Die Höhle macht eine etwas demütige, geduckte Haltung nötig. Mehrere Nischen sind erkennbar, eine wohl die Betnische, die anderen Aufbewahrungsorte.

 

- Die älteste Darstellung des Pfeiferhannes findet sich im Titelholzschnitt "Die nicklas hausser fart" von 1490 und in der Schedelschen Weltchronik von 1493.

-  Das "Historische Pfeiferspiel 1902" von Kern brachte die umliegenden katholischen Ortschaften gegen Niklashausen auf. Beispielsweise wurde die Mühle in Niklashausen boykottiert.

-  Bei verschiedenen Umzügen waren die Niklashäuser mit einem "Pfeifer-Wagen" bei Heimattagen vertreten.

-  In die Fußstapfen der Wallfahrer trat die SPD (Kreisverband Main-Tauber), als sie in einer Nachtwanderung den historischen Zug nach Würzburg 1982 und 1983 nachzeichnete.

-  1976 war für den Ort die 500-Jahres-Wiederkehr ein großer "Heimattag".

- Mehrere Filme haben sich mit der Niklashausener Fahrt beschäftig, u. a. R. W. Faßbinder und A. Jungraithmeyer. Siehe unten.

- Einige Theaterstücke wurden verfaßt: R. Kern, F. Flegler, HD Schmidt; ein Puppenspiel von Studenten der Kath. Universität Eichstätt. Siehe unten.

- Niklashausen war die Anfangs-Station bei der ersten Traum-a-Land Bauernkriegs Spurensicherungs-Radtour 1980. Siehe unten.

- 1988 Pfeiferfest des SPD-Ortsvereins.

- Vor einigen Jahren hat sich ein Förderverein zur Einrichtung eines Pfeifer-Museums erfolgreich gegründet.

- In Gamburg wird jedes Jahr ein Laetare-Umzug veranstaltet. Am Sonntag Laetare trat der Pfeifer von Niklashausen erstmals als sozialrevolutionärer Prediger auf.

- Ebenfalls in Gamburg ist an der Mühle ein Bildnis eines Schäfers angebracht.

 

 

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